OLG Hamburg weist Berufung im Streit um Bildnutzung für KI-Datensatz zurück

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Der Rechtsstreit zwischen dem Fotografen Robert Kneschke und dem gemeinnützigen Verein LAION ist eines der ersten Verfahren vor Deutschen Gerichten zum Thema „KI“ und den begleitenden Nutzungshandlungen. In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die Klage abgewiesen (wir berichteten), nun liegt auch das Urteil der Berufungsinstanz vor (Az. 5 U 104/24).

Auch das Oberlandesgericht Hamburg verneint die geltend gemachten Ansprüche des Fotografen, geht dabei in seiner Begründung aber noch weiter als zuvor das Landgericht. Zunächst bestätigt das Gericht, dass LAION bei der Erstellung des „LAION 5B Dataset“ eine Vervielfältigung des Lichtbildes im Sinne des § 16 UrhG vorgenommen hat. Diese sei allerdings sowohl auf Grundlage des § 44b UrhG (Text und Data Mining), als auch des § 60d UrhG (Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung) zulässig. Da § 60d UrhG keine Opt-Out-Möglichkeit vorsieht, musste der Kläger die Nutzung seines Bildes dulden, obwohl sie ohne Genehmigung und ohne Vergütung erfolgte.

Das Landgericht hatte noch offengelassen, ob die Text und Data Mining Schranke eingreift. Die Vorschrift erlaubt Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken, um durch automatisierte Analyse der Werke Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Das Oberlandesgericht stimmte dem Landgericht darin zu, dass diese Voraussetzungen bei der Erstellung des Datensatzes vorlagen. Damit wäre die Vervielfältigung erlaubt, sofern nicht ein wirksamer Nutzungsvorbehalt („Opt-Out“) durch den Kläger erklärt wurde. Ein solcher Vorbehalt muss nach § 44b UrhG „in maschinenlesbarer Form“ vorliegen. Hier fand sich eine Erklärung innerhalb der Nutzungsbedingungen einer Stock-Foto-Agentur in natürlicher Sprache und nicht in einer „robots.txt“-Datei.

Nach Ansicht des OLG Hamburg genügt diese Form der Erklärung den Anforderungen des § 44b UrhG im konkreten Fall nicht. Dabei differenziert das Gericht allerdings und betrachtet den jeweils  fraglichen Zeitpunkt. Die Regelung sei technologieoffen, so dass grundsätzlich auch in natürlicher Sprache formulierte Opt-Out-Erklärungen wirksam sein könnten. Es obliegt dabei aber dem Verwender der Erklärung, dies (für den jeweils maßgeblichen Zeitpunkt) zu belegen. Hieran ist der Kläger gescheitert: er hatte auf den Chatbot „ChatGPT“ und das Tool „weboptout“ hingewiesen, die nach seinem Vortrag den Nutzungsvorbehalt in natürlicher Sprache erkennen konnten. Beide waren aber nach den Feststellungen des Gerichts Mitte 2021 noch nicht verfügbar. Da die Nutzung durch den Beklagten aber zu diesem Zeitpunkt erfolgte, fehlte es am Nachweis der „Maschinenlesbarkeit“.

Auch erlaubte Nutzungen gem. § 44b UrhG unterliegen aber dem sog. Drei-Stufen-Test. Gemäß Art. 5 Abs. 5 der InfoSoc-RL dürfen Schranken wie § 44b UrhG nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Alle Voraussetzungen sind nach Ansicht des OLG Hamburg erfüllt. § 44b UrhG regele einen Sonderfall. Die normale Verwertung der Fotografie werde auch nicht beeinträchtigt, da die Vervielfältigung ein rein interner Vorgang auf Seiten des Beklagten war. Das später veröffentlichte Dataset habe nicht die Vervielfältigung enthalten, sondern nur einen Hyperlink auf die rechtmäßig zugängliche Datei.

Soweit es bei der (zeitlich dem Training nachgelagerten) Erzeugung von Bildern – also durch Outputs -  zu dem Rechtsinhaber vorbehaltenen Nutzungshandlungen wie etwa Vervielfältigungen i.S.d. § 16 UrhG kommt, könne der Rechteinhaber hiergegen rechtlich vorgehen.

Auch die dritte Voraussetzung sei erfüllt. Die Vervielfältigung sei vorliegend geboten gewesen, um den Bild-Text-Abgleich vorzunehmen. Die Interessen des Beklagten an der Vervielfältigung überwiegen nach Ansicht des OLG. Zwar seien nach § 44b UrhG zulässige Vervielfältigungshandlungen vergütungsfrei, eine ungebührliche Verletzung der Rechte des Klägers läge gleichwohl nicht vor, da es um einen rein internen Vorgang ging und die Beklagte nicht kommerziell tätig wurde.

Neben § 44b UrhG greife auch die Schranke des § 60d UrhG zugunsten des Beklagten. LAION habe mit seiner Arbeit wissenschaftliche Forschung betrieben, und zwar schon durch die Erstellung des Datensatzes selbst. Diese stelle ein methodisches, auf einen späteren Erkenntnisgewinn gerichtetes und nachprüfbares Vorgehen dar, das der angewandten Forschung zuzurechnen sei.

Der wissenschaftliche Zweck sei auch nicht entfallen, weil unter den 5 Milliarden Einträgen des Datensatzes auch über 1.600 Links zu strafbaren Bildern enthalten waren.

Der Beklagte habe schließlich auch (als gemeinnütziger Verein) keine kommerziellen Zwecke verfolgt. Die Mitglieder erhielten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins, die Spendenfinanzierung des Vereins führe nicht zu einer kommerziellen Ausrichtung. Der Datensatz wurde jedermann kostenfrei zur Verfügung gestellt, was automatisch auch eine Nutzungsmöglichkeit durch Wirtschaftsunternehmen mit sich bringe. Gem. § 60d Abs. 2 UrhG komme es darauf an, ob die Forschungsorganisation kommerzielle Zwecke verfolgt, und nicht darauf, ob die Forschung auch kommerziellen Zwecken Dritter zugutekommt.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Fragen hat das Gericht die Revision zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass der BGH über den Fall entscheiden wird.

Für Fotografen und andere Rechteinhaber zeigt das Urteil, dass sie aus Gründen der Rechtssicherheit einen Opt-Out in einer „maschinenlesbaren“ Form erklären sollten. Dies kann in einer robots.txt-Datei erfolgen oder mittels des TDM Reservation Protocol (TDMRep). Zwar würde dies Vervielfältigungen für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung im Wege des Text und Data mining nicht verhindern, jedenfalls aber kommerzielle Nutzungen ließen sich so ausschließen. Erfreulich ist insofern die Feststellung des OLG, dass auch Inhaber einfacher Nutzungsrechte (wie etwa Bildagenturen) wirksam für den Urheber einen Opt-Out erklären können.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel