Am vergangenen Freitag hat das Landgericht Hamburg die Klage eines Fotografen abgewiesen, der sich gegen die Nutzung seiner Inhalte zum sog. Text und Data Mining wehren wollte (Urteil vom 27.09.2024, Az. 310 O 227/23).
Robert Kneschke, ein deutscher Fotograf, hatte den LAION gemeinnütziger e.V. auf Unterlassung verklagt, da LAION eines seiner Bilder in dem sog. LAION 5B Dataset verwendete. Das Dataset ist eine Sammlung von knapp 6 Milliarden Bild-Text-Paaren, das von LAION kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, und das zum Training zahlreicher generativer KI-Modelle wie bspw. Stable Diffusion genutzt wurde.
Bei der Erstellung des Datasets hat LAION ein Bild des Klägers heruntergeladen und somit im Sinne des § 16 UrhG vervielfältigt. Das verwendete Bild war (mit einem Wasserzeichen versehen) auf der Webseite einer Stockfoto-Agentur mit Zustimmung des Klägers und ohne technische Schutzmaßnahmen abrufbar. Anschließend hat LAION das Bild mit seiner Beschreibung verglichen und es wieder gelöscht. In dem Dataset findet sich insofern nur die URL zu dem Bild und eine Inhaltsbeschreibung.
Das Landgericht musste nun klären, ob LAION diese Vervielfältigungshandlung ohne Zustimmung des Klägers vornehmen durfte. Der Verein hatte sich auf gleich drei Ausnahmen berufen, und zwar §§ 44a (Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen), 44b (Text und Data Mining) und 60d UrhG (Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung). In der mündlichen Verhandlung am 11.07.2024 wurde am längsten über § 44b UrhG diskutiert. Die Vorschrift erlaubt Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken, um durch automatisierte Analyse der Werke Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.
Der von LAION durchgeführte Abgleich des Bildinhalts mit der vorbestehenden Bildbeschreibung stellt nach Auffassung des Gerichts eine solche Analyse zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über Korrelationen (hier: Beziehung Bildinhalt zur Bildbeschreibung) dar.
Urheber können einer solchen Nutzung aber durch einen sog. Opt-Out widersprechen, indem sie „in maschinenlesbarer Form“ einen Nutzungsvorbehalt erklären. Auf der Webseite der Stockfoto-Agentur fand sich zwar ein Opt-Out, jedoch innerhalb der Nutzungsbedingungen in natürlicher Sprache und nicht im Code der Webseite oder bspw. in einer „robots.txt“-Datei. Die mit Spannung erwartete Antwort auf die Frage, ob ein auf diesem Weg erklärter Nutzungsvorbehalt ausreicht, blieb jedoch leider aus.
Denn das Landgericht hielt im Ergebnis die Schranke des § 60d UrhG für einschlägig, der das Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung regelt.
Anders als im Rahmen des § 44b UrhG können Rechteinhaber dieser Schranke nicht durch einen Nutzungsvorbehalt widersprechen. Vervielfältigungen, die die Voraussetzungen des § 60d UrhG erfüllen, sind daher immer rechtmäßig.
LAION habe mit seiner Arbeit wissenschaftliche Forschung betrieben und (als gemeinnütziger Verein) keine kommerziellen Zwecke verfolgt. Die Forschungsergebnisse (das LAION 5B Dataset) wurde auch kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Kläger hatte LAION vorgeworfen, intensiv mit kommerziellen KI-Anbietern zusammenzuarbeiten. Nach § 60d Abs. 2 S. 3 UrhG entfällt die Rechtfertigung, wenn die Forschungsorganisation mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeitet, das einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisation und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung hat. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Rechteinhaber. Das Gericht kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht ausreichend dazu vorgetragen hat, dass bspw. Stability AI einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsarbeit von LAION hatte und bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen erhielt. Die Vervielfältigung des Fotos des Klägers war daher im Ergebnis erlaubt, die Klage wurde abgewiesen. Ob der Kläger in Berufung gehen wird, ist noch unklar.
Wegen des großen Interesses der Öffentlichkeit hat das Gericht Ausführungen zur Frage des „Opt-Out“ gemacht, auch wenn diese für die Entscheidung nicht maßgeblich waren. Die Kammer hat zu erkennen gegeben, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vorbehalt als „maschinenlesbar“ bewertet werden kann, in Abhängigkeit von der technischen Entwicklung zum jeweiligen Nutzungszeitpunkt zu beurteilen ist. Dabei neigt das Gericht dazu, als „maschinenverständlich“ auch einen allein in „natürlicher Sprache“ verfassten Nutzungsvorbehalt anzusehen. Dabei sei ein dynamischer Maßstab anzusetzen, der sich mit den Fortschritten der Technik, auch der Entwicklung von KI-Anwendungen, die in der Lage sind, in natürlicher Sprache geschriebenen Text inhaltlich zu erfassen, verschiebt.
Der Entscheidung kommt zwar einige Bedeutung zu, es ist aber hervorzuheben, dass das Gericht sich nicht mit der Frage befasst hat, ob (auch) das Training von KI-Modellen von den Schranken der §§ 44b, 60d UrhG gedeckt ist. Die in dem Verfahren überprüfte Tätigkeit von LAION ist dem sog. Training vorgelagert und unterscheidet sich technisch deutlich hiervon, was auch rechtliche Unterscheidung mit sich bringt.
Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel