Twitter versagt systematisch beim Löschen von Beleidigungen – Bußgeldverfahren läuft

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Twitter unterliegt als soziales Netzwerk dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Der Dienst ist daher verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Twitter muss gemeldete Inhalte unverzüglich zur Kenntnis nehmen, prüfen, ob sie rechtswidrig im Sinne des NetzDG sind, und rechtswidrige Inhalte zeitnah löschen oder den Zugang zu ihnen sperren.

Das für die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften zuständige Bundesamt für Justiz (BfJ) sieht Anhaltspunkte für systematische Verstöße gegen diese Pflichten und hat ein Bußgeldverfahren gegen die Twitter International Unlimited Company eingeleitet. Twitter droht ein Bußgeld von bis zu 5 Millionen Euro.

Auslöser des Verfahrens ist offenbar ein „Shitstorm“ gegen eine einzige Person. Wie das BfJ mitteilt, wurden ihm zahlreiche auf Twitter veröffentlichte Inhalte gemeldet, die nach Einschätzung der Behörde rechtswidrig sind und von Twitter trotz Nutzerbeschwerden nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen gelöscht wurden. Alle Tweets enthielten gleichartige ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich gegen dieselbe Person richteten. Da Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB zu den sog. Katalogtaten des § 1 Abs. 3 NetzDG gehören, hätte Twitter die gemeldeten Inhalte spätestens innerhalb von sieben Tagen löschen müssen. Eine Löschung erfolgte nach Angaben des BfJ entweder gar nicht oder deutlich zu spät.

Das BfJ hat Twitter nun Gelegenheit gegeben, zu dem Vorwurf eines systemischen Versagens des Beschwerdemanagements Stellung zu nehmen. Im weiteren Verfahren wird das BfJ die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente prüfen. Sollte das BfJ zu dem Ergebnis kommen, dass der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens weiterhin begründet ist, wird es beim Amtsgericht Bonn die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beantragen. Sollte das Amtsgericht Bonn die Rechtswidrigkeit der Inhalte feststellen, kann das BfJ eine Geldbuße gegen Twitter festsetzen. 

Das NetzDG wird spätestens am 17.02.2024 durch den „Digital Services Act“ (DSA) ersetzt. Diese EU-weit geltende Verordnung sieht aber ähnlich dem NetzDG in Art. 16 ein Melde- und Abhilfeverfahren vor, Art. 6 verpflichtet die Anbieter zur unverzüglichen Löschung nach Erhalt einer Meldung. Die unter dem DSA möglichen Geldbußen sind mit bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des betreffenden Anbieters noch deutlich höher, als die unter dem NetzDG vorgesehenen Sanktionen. Es wird sich zeigen, ob Twitter aus dem anhängigen Verfahren lernt.

Der neue Eigentümer Elon Musk hatte Berichten zufolge schon kurz nach der Übernahme der Geschäfte den Chef und große Teile des „Content Moderation Teams“ entlassen. Die EU soll Musk bereits aufgefordert haben, mehr Mitarbeiter für die Überwachung und Sperrung rechtswidriger Inhalte einzustellen.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel