EuGH entscheidet über Vergütung für Privatkopien in der „Cloud“

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Inhaber von Urheberrechten dürfen bestimmte Nutzungshandlungen verbieten oder erlauben. Dazu zählen Vervielfältigungen (§ 16 UrhG) bzw. umgangssprachlich Kopien. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Vervielfältigungen auch ohne Erlaubnis des Rechteinhabers zulässig, nämlich wenn eine sog. Schranke eingreift. Die in § 53 UrhG geregelte „Privatkopie“ dürfte die bekannteste „Schranke“ sein. Sie geht auf Art. 5 Abs. 2 der sog. InfoSoc-Richtlinie (RL 2001/29/EG) zurück. Danach können Mitgliedsstaaten Ausnahmen vom Vervielfältigungsrecht vorsehen in Bezug auf „Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten“. Demnach können Privatkopien zwar zugelassen werden, jedoch nur, wenn der Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhält. Dieser wird in Deutschland und anderen EU-Ländern durch die Hersteller- und Leermedienvergütung sichergestellt. Die Erhebung der Vergütung erfolgt regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften.

In dem nun entschiedenen Fall hatte die österreichische Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH gegen die Strato AG geklagt. Strato habe mit dem Cloudspeicher „HiDrive“ Dienstleistungen erbracht, mit der sie Kunden Speicherplatz zur Verfügung stelle, wofür Vergütungsansprüche gemäß § 42b Abs. 1 UrhG (Österreich) anfielen. Das Handelsgericht Wien wies die Klage von Austro-Mechana ab, da Strato keine Speichermedien an Kunden abgebe, sondern für diese eine Dienstleistung der internetgestützten Speicherung erbringe.

Der EuGH hatte daher zu klären, ob das Kopieren von Musikinhalten auf einen Cloudspeicher eine „Vervielfältigung“ darstellt, sowie ob das österreichische Gesetz gegen die Vorgabe verstößt, einen angemessenen Ausgleich für Privatkopien zu schaffen.

Mit Urteil vom 24.03.2022 (Rechtssache C-433/20) hat der EuGH zunächst entschieden, dass auf Cloudspeicher gesicherte Musikinhalte „Vervielfältigungen“ im Sinne des Art. 2 der InfoSoc-Richtlinie darstellen. Zum Ausdruck „auf beliebigen Trägern“ führt der Gerichtshof aus, dass dieser alle Träger umfasst, auf denen ein geschütztes Werk vervielfältigt werden kann, einschließlich der im Rahmen des Cloud-Computing verwendeten Server.

Nur eine solche weite Auslegung könne gewährleisten, dass der Urheberrechtsschutz in der Union im Zuge der technologischen Entwicklung und durch das Aufkommen neuer Formen der Verwertung urheberrechtlich geschützter Inhalte nicht veraltet und obsolet wird.

Hinsichtlich der zweiten Frage betont der EuGH, das Erstellen einer Privatkopie ohne die vorherige Erlaubnis des Inhabers des Rechteinhabers sei als Handlung anzusehen, die einen Schaden für den betreffenden Rechtsinhaber begründen kann. Alle Mitgliedstaaten seien verpflichtet, eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz dieses Schadens zu gewährleisten, sofern sie Privatkopien erlauben. Die Mitgliedsstaaten hätten aber ein weites Ermessen hinsichtlich der Erreichung dieses Ziels. Insbesondere bestimmten die Mitgliedsstaaten, welche Personen den Ausgleich zu zahlen haben. Im Grundsatz soll der Ausgleich von der Person gezahlt werden, die die Privatkopie erstellt. Wegen der erheblichen Schwierigkeiten der Identifizierung dieser Personen und der Erhebung der geschuldeten (Kleinst-)Beträge stehe es den Mitgliedsstaaten frei, eine Abgabe für Privatkopien einzuführen, die nicht die betreffenden Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen zur Verfügung stellen oder ihnen die Dienstleistung einer Vervielfältigung erbringen. Die Anbieter wiederum könnten die geschuldete Vergütung in den Preis der Geräte oder Dienstleistungen einfließen lassen.

Bei der Festlegung der Abgabe für Privatkopien stehe es den Mitgliedstaaten zwar frei, den Umstand zu berücksichtigen, dass bestimmte Geräte und Speichermedien im Rahmen des Cloud-Computing zum Erstellen von Privatkopien genutzt werden können. Doch haben sie sich laut EuGH zu vergewissern, dass die so gezahlte Abgabe, soweit im Rahmen dieses einheitlichen Prozesses mehrere Geräte und Speichermedien von ihr betroffen sind, nicht über den sich für die Rechtsinhaber ergebenden etwaigen Schaden hinausgeht.

Im Ergebnis sei die österreichische Regelung EU-rechtskonform, da sie die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber vorsehe.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel