BGH weist Millionenfor­derung im Fall „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ zurück

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Seit 2015 dauert der Rechtsstreit um die „Kohl-Protokolle“ an – heute hat der Bundesgerichtshof (BGH) zwei Urteile verkündet, die die Verfahren weitgehend beenden.

Das Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen Helmut Kohls, die dieser anlässlich von Gesprächen zur Erstellung seiner Memoiren getätigt haben soll. Kohl sah in den umstrittenen 116 Passagen eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und verlangte vor dem Landgericht Köln (LG) zum einen Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung der Passagen sowie wegen der bereits erfolgten Verbreitung Zahlung einer Geldentschädigung von mindestens 5 Mio. €. Das LG Köln hat in erster Instanz im Jahr 2017 den Hauptautor, den Co-Autor sowie den Verlag zur Zahlung einer Geldentschädigung von 1 Mio. € verurteilt (Az. 14 O 323/15) und auch den Unterlassungsanspruch bezüglich aller 116 Passagen bejaht (Az. 14 O 261/16).

Nachdem Helmut Kohl am 16.06.2017 während der Berufungsverfahren verstarb, führte seine Witwe die Verfahren fort. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hat die auf Zahlung gerichtete Klage daraufhin vollständig abgewiesen (Az. 15 U 64/17). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei.

Mit seinem heute verkündeten Urteil (Az. VI ZR 258/18) hat der BGH das Urteil des OLG bestätigt und damit festgestellt, dass der Witwe Kohls kein Anspruch auf Geldentschädigung zusteht. Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Hauptfunktion des Geldentschädigungsanspruchs sei es, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen, was bei einem Verstorbenen nicht mehr möglich sei. Etwas anderes gelte auch nicht dann, wenn – wie hier – dem Verstorbenen noch zu dessen Lebzeiten eine Geldentschädigung zugesprochen wurde, sofern das Urteil bei Eintritt des Todes noch nicht rechtskräftig war.

Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ist zwischen dem Hauptautor des Buches auf der einen Seite und dem Co-Autor und dem Verlag auf der anderen Seite zu unterscheiden. Der Hauptautor darf alle 116 angegriffenen Textstellen nicht weiterverbreiten. Dies haben LG und OLG Köln (Az. 15 U 65/17) mit einer anlässlich der "Memoirengespräche" konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung begründet. Das OLG hatte insofern die Revision nicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH am 23.03.2021 zurückgewiesen.

Da der Verlag – anders als der Hauptautor – keiner vertraglichen Verschwiegenheitserklärung unterlag, bejaht der BGH in seinem Urteil (Az. VI ZR 248/18) einen Unterlassungsanspruch der Kohl-Witwe nur in Bezug auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Anders als das OLG nimmt der BGH dabei keine Unterlassungspflicht des Verlages für solche Zitate an, deren Veröffentlichung Helmut Kohl schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte. Sachlich „richtige“ Zitate dürfen somit laut BGH veröffentlicht werden, obwohl Kohl sich im Gespräch mit dem Autor gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte.

Zwischen den Parteien ist weiterhin streitig, welche der 116 Passagen richtig oder falsch sind. Soweit sie durch das Gericht abschließend als richtig beurteilt werden konnten, hat der BGH die Revision der Klägerin zurückgewiesen, so dass die Verbreitung zulässig ist. Soweit Zitate abschließend als Fehlzitate eingeordnet werden konnten, hat der BGH die Revision des Verlags zurückgewiesen und damit die Verbreitung verboten. Im Übrigen wurde das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen nachgeholt werden können.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel