Bundesrechts­anwaltskammer fordert weitere Digitalisierung der Justiz

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Am 11. und 12. November findet die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin statt. Auf der Tagesordnung stehen zahlreiche Digitalthemen, so etwa die „Weiterentwicklung der Videoverhandlung im Gerichtsverfahren“, ein Bericht der Länderarbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ zum Themenkomplex „Zivilrechtlich relevante Gesichtspunkte des Digital Services Act“, „angemessene Strafen bei Cybercrime-Delikten“ und ganz allgemein der „Zivilprozess der Zukunft“.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat anlässlich der Konferenz ein Positionspapier zum digitalen Rechtssystem veröffentlicht. Darin begrüßt sie die Fortführung der bereits umgesetzten Digitalisierungsschritte und betont den großen Anteil, den die Anwaltschaft zu dem Prozess beigetragen hat. So ist etwa ab dem 01.01.2022 die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) für alle Anwälte und Anwältinnen verpflichtend. Der Zugang zum Recht solle mit der Digitalisierung weiter gesichert und gestärkt, Gerichtsverfahren bürgerfreundlicher, effizienter und ressourcenschonender gestaltet werden. Dabei sei auch eine sichere und datenschutzkonforme Ausgestaltung der Angebote wichtig. Konkret fordert die BRAK

1. eine bundesweit bessere Ausstattung und flächendeckende technische Infrastruktur,

2. die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs,

3. den Aufbau eines Justizportals sowie

4. den Einsatz digitaler Verfahren zur Stärkung des Zugangs zum Recht

Daneben positioniert die BRAK sich auch zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Recht.

Während gegen entscheidungsunterstützende KI keine durchgreifenden Bedenken bestünden, hält die BRAK den Einsatz von entscheidungsersetzender KI („Robo-Richter“) für grundsätzlich ausgeschlossen, da hierdurch das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt würde.

Eine Ausnahme könne in zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren gelten, wenn alle Parteien sich freiwillig einer automatisierten Entscheidung unterwerfen und die Möglichkeit besteht, die Entscheidung nach Anfechtung von einem menschlichen Richter überprüfen zu lassen.

Im Vorfeld der Herbstkonferenz hatte sich auch der bayerische Justizminister Eisenreich zur „Digitaloffensive“ der Justiz geäußert. Anlässlich der Einführung der E-Akte beim Landgericht Memmingen als neuntem bayerischen Landgericht lobte Eisenreich das neue System, da es Verfahren verkürze, Wartezeiten erspare und in Zeiten der Pandemie die Gesundheit der Prozessbeteiligten schütze. Bereits mehr als 48.000 Verfahren seien in Bayern rein elektronisch geführt worden, seit Juli 2021 seien alle 99 bayerischen Gerichte mit mobilen Videokonferenzanlagen ausgestattet, die es ermöglichen, mündliche Termine als Videoverhandlung zu führen.

Auf dem Weg zu einem modernen Zivilprozess sieht Eisenreich aber noch erheblichen rechtspolitischen Handlungsbedarf. Er fordert die Bundesjustizministerin zu schnellerem Handeln auf: „Die Zivilprozessordnung ist für die Papierakte gemacht, nicht für die elektronische Akte. Eine Modernisierung des Zivilprozesses ist daher notwendig. Der Bund muss jetzt tätig werden. Wir brauchen eine breit geführte Diskussion, die alle Akteure einbezieht: Gerichte, Rechtsanwälte, Wissenschaftler, Wirtschaft, Verbraucherverbände."

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel