Wichtiger Schritt: Legal-Tech-­Gesetz tritt am 01. Oktober in Kraft

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Das offiziell als „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ bezeichnete Legal-Tech-Gesetz tritt zum 01.10.2021 in Kraft. Es bringt umfangreiche Änderungen im Bereich des anwaltlichen Vergütungsrechts sowie für Inkassodienstleister mit sich. Auslöser für die Reform waren zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. VIII ZR 285/18 und VIII ZR 130/19) zu Dienstleistungen des Anbieters wenigermiete.de.

Plattformen wie wenigermiete.de lassen sich Ansprüche von Verbrauchern abtreten und machen diese meist auf Basis eines Erfolgshonorars geltend. Diese Dienstleistung ist für den Verbraucher somit regelmäßig mit keinem Kostenrisiko verbunden. Sind die Bemühungen des Dienstleisters erfolglos, muss der Verbraucher nichts zahlen, während im Erfolgsfall der Anbieter einen Anteil des erzielten Betrages erhält. Da derartige rechtsnahe Dienstleistungen meist mit Unterstützung von technischen Algorithmen und Software erbracht werden, spricht man von „Legal Tech“-Angeboten. Solche Anbieter sind als Rechtsdienstleister für Inkassodienstleistungen registriert, da nur in diesem Fall und in engen Grenzen die Erbringung von Rechtsdienstleistungen außerhalb der Anwaltschaft möglich ist. Der BGH hatte mit den „wenigermiete.de“-Entscheidungen den Rechtsdienstleistungsmarkt der Forderungseinziehung liberalisiert und das erfolgsbasierte Vergütungsmodell  von Inkassodienstleistern wie wenigermiete.de erlaubt. Damit waren Inkassodienstleistern Tätigkeiten unter Übernahme des Kostenrisikos erlaubt, die Rechtsanwälten wegen des strikten Verbots solcher Erfolgshonorare verboten blieben.

Hier setzt die gesetzgeberische Reform an, indem sie für Rechtsanwälte Erfolgshonorare in bestimmtem Umfang freigibt:

So sind Erfolgshonorare bei Geldforderungen bis EUR 2.000,00 für außergerichtliche und gerichtliche Mandate freigegeben. Der Anwalt muss aber im Gegenzug für die Übernahme des Risikos im Fall des Obsiegens einen angemessenen Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbaren, d.h. er muss im Erfolgsfall mehr Geld erhalten, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz grundsätzlich vorsieht. In welcher Höhe ein Zuschlag „angemessen“ ist, hängt stark vom jeweiligen Einzelfall ab.

Im außergerichtlichen Inkassobereich sowie in gerichtlichen Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren wird Rechtsanwälten die Vereinbarung eines Erfolgshonorars unabhängig von der Höhe der Forderung erlaubt. Dies war bislang nur Inkassodienstleistern möglich.

Gleichzeitig sieht das Gesetz eine weitere Regulierung der Legal Tech Inkassodienstleister vor. Diese müssen jetzt bei der Registrierung nicht nur ihre Dienstleistungen, sondern auch ihre Nebenleistungen angeben. Hierdurch soll es der Aufsichtsbehörde ermöglicht werden, Fälle aufzudecken, in denen der Anbieter unzulässige Rechtsdienstleistungen erbringt. Diese Meldepflicht gilt auch rückwirkend für die über 2.000 bereits registrierten Inkassodienstleister.

Alle Inkassodienstleister müssen zukünftig bei Vertragsschluss mit Verbrauchern umfangreiche Informationspflichten erfüllen, was auch die jeweilige Vergütungsvereinbarung umfasst. Verbraucher müssen bspw. u.a. darüber informiert werden, welche anderen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Forderung bestehen, insbesondere, wenn diese es ermöglichen, seine Forderung in voller Höhe zu realisieren. Bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars müssen Dienstleister u.a. ihren mit der Sache verbundenen Aufwand angeben.

Neu ist für Inkassodienstleister schließlich, dass diese in Zukunft Fremdgelder unverzüglich auszahlen oder auf Anderkonten verwahren müssen – eine solche Pflicht galt bislang nur für Rechtsanwälte.

Keinen Niederschlag in das Gesetz gefunden hat hingegen die in einem vor zwei Jahren zirkulierten Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vorgeschlagene begrenzte Zulassung von Wagniskapital in bestimmten Bereichen der Rechtsdienstleistungsbranche. Hier wird es auch weiterhin beim sog. Fremdfinanzierungsverbot von Anwaltskanzleien bleiben. Auch die Vereinbarung oder Gewährung von Vermittlungsprovisionen bleibt nach § 49b Abs. 3 BRAO weiterhin verboten.

Das Gesetz schafft damit sowohl für die Anwaltschaft als auch nicht-anwaltliche Legal Tech Dienstleister in gewissem Umfang ein „level playing field“. Ob die Änderungen weitreichend genug sind, den Entwicklungen und Anforderungen des Rechtsmarkts hinreichend Rechnung zu tragen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen müssen.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel