Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG ) ist schon seit August 2021 in Kraft, aber erst im Februar 2024 erging das erste Urteil auf Grundlage dieses Gesetzes (wir berichteten). Nach dem Landgericht München hat sich nun auch das Landgericht Köln mit einem UrhDaG-Fall befasst und dabei im Ergebnis die Klage gegen YouTube abgewiesen (Az. 14 O 20/22).
Auslöser des Streits war ein ca. 11 Jahre alter Kurzfilm, der eine Nackt- bzw. Sexszene der Klägerin enthielt. Der Film sollte nach der Darstellung der Klägerin nur auf Filmfestivals gezeigt werden, tatsächlich wurde er nie öffentlich vorgeführt. Der Filmemacher lud ihn jedoch 2017 auf YouTube hoch. Die Darstellerin versuchte auf verschiedene Weise, den Film von der Videoplattform löschen zu lassen. So versuchte sie 2017 wiederholt, auf Grundlage des Urheberrechts das Video löschen zu lassen. Da der Filmemacher jedoch YouTube gegenüber darlegte, Autor, Regisseur und Produzent des Werks zu sein, ließ YouTube das Video online. Auch eine Datenschutzbeschwerde aus dem Jahr 2018 führte nicht zum Erfolg. 2021 folgte noch eine Abmahnung YouTubes wegen einer behaupteten Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 22 KUG.
Da das Video online blieb, klagte die Darstellerin 2022 gegen den Regisseur auf Unterlassung und Schadensersatz sowie gegen YouTube auf „qualifizierte Blockierung“ gemäß § 7 UrhDaG. Das LG Köln gelangte in dem Prozess zu der Überzeugung, dass zwischen Darstellerin und Regisseur eine Vereinbarung geschlossen worden war, den Film ausschließlich auf Festivals zu zeigen. Der Upload auf YouTube und die dadurch erfolgte öffentliche Zugänglichmachung durch den Regisseur waren daher rechtswidrig, weswegen der Beklagte zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt wurde.
Die gegen YouTube gerichtete Klage wies das Gericht jedoch ab, was auf den ersten Blick unlogisch erscheinen mag. Der Löschanspruch scheiterte im Ergebnis daran, dass bis zur Entscheidung über die Klage zwischen Darstellerin und Regisseur Unsicherheit darüber herrschte, ob das Video legal hochgeladen worden war.
Sowohl die einfache Blockierung nach § 8 UrhDaG als auch die sog. qualifizierte Blockierung nach § 7 UrhDaG schreiben den Plattformen vor, ein „Overblocking“ zu verhindern. Zulässige Inhalte sollen nicht infolge einer Sperraufforderung gelöscht werden.
Für einen hinreichend begründeten Hinweis auf die unerlaubte öffentliche Wiedergabe
des Werkes musste die Klägerin daher ihre Berechtigung an dem Film darlegen und begründen, warum das Werk durch den Regisseur unerlaubt genutzt wird. Der Hinweis muss dem Diensteanbieter ausreichende Anhaltspunkte an die Hand geben, um den Urheberrechtsverstoß ohne Weiteres rechtlich einschätzen zu können. An eben dieser Voraussetzung ist die Klägerin gescheitert. Sie hat sich zwar gegenüber YouTube auf ihre Rechte als Darstellerin berufen. Aus § 92 UrhG folgt aber eine Vermutung zugunsten des Filmherstellers, dass ihm die Rechte zur Nutzung der Darstellung übertragen wurden. Außergerichtlich hatte die Klägerin es versäumt, diese Vermutung auszuräumen, was bspw. durch eine eidesstattliche Versicherung möglich gewesen wäre.
Im Ergebnis fehlte YouTube daher – jedenfalls bis zur Verkündung des Urteils gegen den Regisseur – die erforderliche Kenntnis eines rechtswidrig verfügbaren Inhalts. Das etwas skurrile Ergebnis: die Klage gegen YouTube wurde zwar abgewiesen, das Gericht stellt aber gleichzeitig fest, dass nun die Voraussetzungen für eine qualifizierte Blockierung vorliegen, da YouTube als weitere Beklagte Kenntnis von dem Inhalt der Entscheidung erlangt hat. Der Dienst muss daher nun ohne weitere Aufforderung das konkrete Video löschen und den erneuten Upload verhindern.
Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel