TikTok muss Schadensersatz für Urheberrechtsverletzungen zahlen

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Im Jahr 2019 gingen tausende Menschen auf die Straße, um gegen sog. Uploadfilter zu protestieren, die im Zuge der Urheberrechtsreform als Bestandteil der DSM-Richtlinie vorgesehen waren. Sie befürchteten, das Gesetz bedeute das „Ende des freien Internets“. Als am 01.08.2021 das UrhDaG in Kraft trat, das der Umsetzung der Richtlinie dient und die Haftung der großen Online-Plattformen regelt, blieb der große Aufschrei – und der Zusammenbruch des Internets – aus.

Was hat sich tatsächlich geändert? Bis zum Inkrafttreten des UrhDaG mussten Anbieter wie YouTube, TikTok oder Facebook bei Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer nur dann tätig werden, wenn der Rechteinhaber sie auf eine Rechtsverletzung hinwies. § 1 UrhDaG stellt nun klar, dass die Plattformen selbst die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte im urheberrechtlichen Sinn nutzen und somit verpflichtet sind, vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe der Inhalte zu erwerben.

Der Berliner Filmrechtevertrieb und Betreiber diverser YouTube-Kanäle Nikita Ventures GmbH hat nach Inkrafttreten des UrhDaG festgestellt, dass diverse Inhalte des Unternehmens auf dem Videoportal TikTok hochgeladen wurden. Das Unternehmen bot TikTok an, die Inhalte zu lizensieren, es kam jedoch zu keiner Einigung.

Die Nikita Ventures GmbH erhob daraufhin Klage gegen TikTok vor dem Landgericht München und bekam nun mit Urteil vom 09.02.2024 Recht. Der Dienst muss nun Auskunft erteilen

  • wie oft Nutzer die nichtlizenzierten Inhalte abgerufen / gestreamt haben,
  • wie oft Nutzer die nichtlizenzierten Inhalte hochgeladen haben, und
  • welche Einnahmen und Gewinne TikTok aus der nichtlizenzierten Nutzung gezogen hat.

In seiner Pressemitteilung erklärt das Gericht, TikTok habe „bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben“. Da Plattformen wie TikTok nach § 1 Abs. 2 UrhDaG nur dann nicht haften, wenn sie ihre Pflichten nach § 4 und den §§ 7 bis 11 UrhDaG nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfüllen, musste das Gericht für die Verurteilung nicht mehr prüfen, ob TikTok seinen Löschpflichten nach §§ 7 und 8 UrhDaG nachgekommen war. Es fehlte schon an der Erfüllung der zusätzlichen Pflicht, durch Lizenzverhandlungen schnell zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen seien nach Ansicht des Gerichts vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt.

Das Urteil ist – soweit ersichtlich – das erste Urteil eines deutschen Gerichts, dass eine Haftung auf Grundlage des UrhDaG bejaht. Vor diesem Hintergrund wird der Rechtsstreit mit großer Wahrscheinlichkeit in der Berufungsinstanz fortgeführt und voraussichtlich auch beim Bundesgerichtshof landen. Für den Moment ist die Entscheidung ein gutes Zeichen für alle Rechteinhaber, deren Inhalte durch Nutzer auf die zahlreichen großen Plattformen hochgeladen werden.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel