Das deutsche Haftungsrecht hat bei Urheberrechtsverletzungen im Internet immer zwischen „Störerhaftung“ und „Täterhaftung“ unterschieden. Die sog. Störerhaftung kam dabei auch für Dritte in Betracht, die die Rechtsverletzung nicht selbst begangen, aber zu ihr beigetragen haben. Gegen solche „Störer“ bestanden dann allerdings nur Unterlassungsansprüche, aber keine Schadensersatzansprüche.
Nach einer wegweisenden Entscheidung des EuGH (Az. C-638/18) und den sich anschließenden Urteilen des BGH gegen YouTube und Cyando (Az. I ZR 140/15 und I ZR 135/18, wir berichteten) hat sich dieser Ansatz geändert. Nun können auch Dritte bei der Verletzung von Prüf- und Sorgfaltspflichten auf Unterlassung und Schadensersatz haften, selbst wenn die Rechtsverletzung eigentlich von einem anderen begangen wurde.
In einem aktuellen Urteil vom 26.10.2023 (Az. 14 O 285/23) hat das LG Köln zu der Frage Stellung genommen, ob diese Grundsätze auch auf eine Suchmaschine wie Google Anwendung finden und die Frage bejaht. In dem Fall ging es um die Entfernung mehrerer Bilder aus den Suchergebnissen, die laut Antragstellerin ohne ihre Zustimmung und damit urheberrechtswidrig auf verschiedenen Webseiten angezeigt wurden.
Das LG Köln hat den Anspruch im konkreten Fall zwar abgelehnt, sich aber deutlich für eine Übertragbarkeit des neuen Haftungsregimes auf Suchmaschinen ausgesprochen:
„Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Verfügungsbeklagte grundsätzlich nach der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe in Betracht kommt. Diese Rechtsprechung wurde von Instanzgerichten, auch der hiesigen Kammer, bereits auf andere Fallgestaltungen bzw. auf Intermediäre, die nicht Videosharing- oder Sharehosting-Plattform sind, übertragen (vgl. OLG Nürnberg, GRUR 2023, 1453 zur Haftung einer Online-Shop-Plattform; Kammer, ZUM-RD 2023, 299 zur Haftung eines DNS-Resolvers und Content-Delivery-Networks; LG Leipzig, MMR 2023, 378 zur Haftung eines DNS-Resolvers). Eine generelle Privilegierung der Beklagten als Suchmaschinenbetreiberin ist weder ersichtlich, noch geboten.“
Eine Haftung des Intermediärs kommt jedoch nur in Betracht, wenn dieser außergerichtlich einen Hinweis erhält, der es ihr ermöglicht, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass der beanstandete Inhalt rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre. Daran fehlte es im vorliegenden Fall, denn für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit stellten sich komplexe Fragen zur Anwendung der Schrankenregelungen von §§ 50, 51 UrhG (Berichterstattung über Tagesereignisse, Zitatrecht).
Da Fälle von vermeintlichen oder tatsächlichen Urheberrechtsverletzungen durch Suchmaschinenergebnisse aber an der Tagesordnung sind, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis das erste Gericht einen Suchmaschinenbetreiber nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen wird.
Autor: Rechtsanwalt Ron Bisle