BGH entscheidet zu Schadensersatzansprüchen gegen YouTube

Share on Twitter Share on Facebook Share on Xing Share on LinkedIn Print

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidungsgründe zu seinem Urteil vom 02.06.2022 in dem Rechtsstreit zwischen dem Musikproduzenten Frank Peterson und YouTube bzw. dem Mutterkonzern Google veröffentlicht (Az. I ZR 140/15).

Peterson verlangte von YouTube wegen wiederholter Uploads von Videos mit Musikstücken der Künstlerin Sarah Brightman Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Das Oberlandesgericht verurteilte YouTube teilweise zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung, ging dabei jedoch nur von einer Störerhaftung der Plattform aus (Az. 5 U 175/10).

Mit den nun vorliegenden Entscheidungsgründen steht fest, dass Anbieter von Internetdiensten wesentlich schärfer haften, als bislang von der deutschen Rechtsprechung angenommen. So verlangt der BGH zum einen, dass Diensteanbieter „geeignete technischen Maßnahmen ergreifen die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen“. Unterlassen Diensteanbieter solche proaktiven Maßnahmen, können Sie als Täter auf Schadensersatz haften. Ob YouTube ausreichende Maßnahmen ergriffen hat, muss nun das Oberlandesgericht Hamburg entscheiden.

Zum anderen fordert der BGH, dass Plattformen nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung unverzüglich tätig werden, um den Zugang zu diesem Inhalt durch Löschung oder Sperrung zu verhindern. Das ergibt sich schon seit Jahren aus § 10 TMG, der BGH erklärt aber nun erstmals ausdrücklich, dass im Falle einer unterbliebenen unverzüglichen Löschung die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung tritt. Das bedeutet für geschädigte Rechteinhaber, dass sie nicht nur wie bisher einen Unterlassungsanspruch haben, sondern auch auf Schadensersatz klagen können. Wörtlich heißt es:

„Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union reicht zwar die allgemeine Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf einer Video-Sharing-Plattform nicht für die Annahme aus, der Betreiber handele mit dem Ziel, den Internetnutzern Zugang zu diesen Inhalten zu verschaffen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über

seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt durch Löschung oder Sperrung zu verhindern. In einem solchen Fall trägt der Betreiber über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen, so dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt.

Vor diesem Hintergrund hält der Senat an der vom Berufungsgericht aus damaliger Sicht zutreffend zugrunde gelegten Rechtsprechung, nach der in dieser Konstellation keine Haftung als Täter einer rechtswidrigen öffentlichen Wiedergabe, sondern allenfalls eine Haftung als Störer in Betracht kam, nicht mehr fest. Für den durch Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG vollharmonisierten Bereich tritt mithin die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung.“

Der BGH geht jedoch noch weiter und dehnt die durch einen Hinweis ausgelösten Prüfungspflichten auch auf die Sperrung oder Löschung von gleichartigen Verletzungsformen aus. Konkret bedeutet dies eine Pflicht zum sog. „Notice-and-Staydown“. Rechteinhaber müssen demnach wie bisher zu jedem Werk, das rechtsverletzend auf der Plattform angeboten wird, einen Hinweis mit der Aufforderung zur Löschung schicken. Weitere Uploads desselben Werks muss dann aber der Diensteanbieter im Rahmen des Zumutbaren selbst finden und sperren oder löschen, andernfalls haftet er auch insofern als Täter auf Schadensersatz. Eine andere Auslegung sei laut BGH „mit dem Gebot der wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG unvereinbar“. Das könnte ein Ende der bisherigen millionenfachen Abuse-Meldungen bedeuten, die häufig von Geschädigten als sinnloses „whac-a-mole“ empfunden wurden.

Zu beachten ist allerdings, dass sich die Haftung von Diensteanbietern im Sinne des § 2 UrhDaG für Rechtsverletzungen ab dem 01.08.2021 nach den Vorschriften dieses Gesetzes richtet.  Rechtsprechung zum UrhDaG liegt aktuell noch nicht vor.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel