LG München erlaubt „Kettenauskunftsanspruch“ nach dem TDDDG

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Ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) könnte unter anderem Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen bei der Durchsetzung ihrer Rechte helfen.

Das TDDDG enthält Aufsichts- und Regulierungsbestimmungen und regelt auch Rechte von Kunden der betroffenen digitalen Dienste. Daneben schafft es durch § 21 TDDDG ein Auskunftsrecht für jede Person, die in einem absolut geschützten Recht verletzt wurde. Damit soll Betroffenen die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche erleichtert werden. Hintergrund ist, dass Rechtsverletzungen im Internet oft unter Verwendung von Pseudonymen o.ä. begangen werden und Betroffene den Verantwortlichen nicht in Anspruch nehmen können, weil sie die Person des Verletzers nicht kennen.

Hier sieht das TDDDG in § 21 Abs. 2 im Falle bestimmter Rechtsverletzungen einen Auskunftsanspruch über Bestandsdaten vor. Diese sind definiert als die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von digitalen Diensten und dem Nutzer über die Nutzung von digitalen Diensten erforderlich ist. Beispiele für Bestandsdaten sind neben dem Namen und der Adresse des Nutzers dessen E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum oder Alter sowie Zahlungsdaten oder User-ID und, Benutzernamen.

Dass selbst dieser Auskunftsanspruch eine effektive Rechtsdurchsetzung nicht immer direkt ermöglicht, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG München vom 19.02.2025 (Az. 25 O 9210/24). In dem dortigen Verfahren hatte ein Arbeitgeber zunächst Auskunft von einer Bewertungsplattform gefordert, weil in einer Bewertung unwahre Tatsachen in Form einer üblen Nachrede enthalten waren. Die Bewertungsplattform erteilte Auskunft über ihre Nutzer. Die Auskunft ergab, dass hinsichtlich der Verfasser der zwei Bewertungen lediglich E-Mailadressen gespeichert waren. Mit (nur) dieser Auskunft war es dem Unternehmen unmöglich, die Täter zu verklagen.

Daher verlangte der Arbeitgeber auch von dem Anbieter des E-Mail-Dienstes Auskunft. Dieser wehrte sich mit dem Argument, das TDDDG sei auf interpersonelle Telekommunikationsdienste schon nicht anwendbar, der Auskunftsanspruch insofern abschließend in § 174 TKG geregelt. Außerdem seien die Bewertungen nicht über den Dienst der Beteiligten verbreitet worden.

Das LG München folgte beiden Argumenten nicht und verpflichtete den E-Mail-Anbieter zur Auskunft. Ein Exklusivverhältnis zwischen dem TKG und dem TDDDG bestehe nicht, beide Gesetze hätten schon völlig unterschiedliche Regelungsfunktionen.

Es sei auch nicht erforderlich, dass die Rechtsverletzung über den Dienst (also hier per E-Mail) erfolgte. Hierzu führen die Richter aus:

„Eine solche "Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts in dem digitalen Dienst" lässt sich § 21 TDDDG weder dem Wortlaut nach, noch systematisch, noch historisch entnehmen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber ganz bewusst, gerade keine solche Verbindung aufgenommen hat. Denn Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, dem Anspruchsteller eine effektive Möglichkeit zur Verfolgung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu schaffen. Es ist aber allgemein bekannt, dass viele Plattformen, auf denen rechtsverletzende Äußerungen getätigt werden, nur rudimentäre Nutzungsdaten erheben, vorrangig mit dem Argument, den Nutzern müsse eine anonyme Äußerung ermöglicht werden. Wollte man, wie die Beteiligte, davon ausgehen, ein Anspruch bestehe nur bei einer Verbindung zwischen Äußerung und Dienst, wäre der Anspruch aus § 21 TDDDG aber regelmäßig wertlos, weil als Nutzerdaten häufig (ganz bewusst) nur Fantasie-Daten hinterlegt sind und einziges weiteres hinterlegte Detail eine zumeist zur Authentifizierung verwendete E-Mail-Adresse ist. Der Verletzte würde also in den meisten Fällen für ihn nutzlose Daten erhalten, die ihm eine Verfolgung seiner Ansprüche gerade nicht ermöglichen. Für eine effektive Verfolgung muss es dem Verletzen daher möglich sein, die Datenkette bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und die erforderlichen Daten auch von Anbietern zu verlagern, bei denen die maßgeblichen Inhalte nicht unmittelbar verbreitet wurden.“

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie erkennt die Bedeutung eines wirksamen Auskunftsanspruchs, der gegen jeden beteiligten Anbieter von Digitalen Diensten greifen muss. In der Tat kann nur so sichergestellt werden, dass Internetnutzer nicht ohne Furcht vor Enttarnung und Inanspruchnahme durch die Betroffenen Rechtsverletzungen begehen können.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel