„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie S. C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen.“
Dieser Kommentar wurde mit dem Facebook-Profil eines Mannes im Rahmen einer Diskussion über die Politikerin Sawsan Chebli veröffentlicht. Chebli verklagte den Nutzer auf Unterlassung, dieser behauptete vor Gericht, er sei nicht Urheber des streitgegenständlichen Beitrags. Er habe die Klägerin nicht gekannt und keine Veranlassung gehabt, die Klägerin zu beleidigen. Es habe sein können, dass Dritte sich Zugang zu seinem Account verschafft haben, da der PC bei der Familie und auf der Arbeit mit geöffneter Facebook-Seite gestanden habe. Außerdem habe er gehackt werden können. Eine Aufklärung sei ihm im Nachhinein nicht mehr möglich.
In erster Instanz wurde Cheblis Klage abgewiesen, allerdings nicht wegen der unklaren Urheberschaft des Beitrags, sondern weil das Landgericht Heilbronn den Beitrag für eine zulässige Meinungsäußerung hielt (Az. Ko 8 O 85/22). Chebli habe die öffentlich geführt Diskussion selbst mit einem vergleichbaren Vokabular gestartet, weshalb sie mit entsprechenden Erwiderungen zu rechnen und diese auch auszuhalten hat. Sie hatte zuvor über den Komiker Dieter Nuhr geschrieben, dieser sei „so ignorant, dumm und uninformiert.“ Damit habe sie ihren Ehrschutz zum Teil aufgegeben.
Das Oberlandesgericht Stuttgart kam in der Berufungsinstanz zu dem entgegengesetzten Ergebnis und stufte die Nachricht als Schmähkritik ein (Az. 4 U 58/23). Beim Vorliegen einer Schmähkritik findet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise keine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen im konkreten Einzelfall statt, der es ansonsten zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bedarf (Az. 1 BvR 2249/19).
Der Beklagte habe den Bereich der sachlichen Auseinandersetzung verlassen, die Äußerung habe nur der persönlichen Kränkung der Klägerin gedient, wobei gerade die Bezeichnung als „Stück“ eine Entmenschlichung bewirke.
Für diese rechtswidrige Äußerung hafte der Beklagte auch persönlich, obwohl er die Veröffentlichung bestritt. Zwar konnte die Klägerin nicht beweisen, dass der Beklagte persönlich den Beitrag bei Facebook verfasst hat. Das OLG Stuttgart greift in seinem Urteil aber auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung von Anschlussinhabern in Filesharing-Verfahren zurück (Az. I ZR 19/16). Da der Beitrag von seinem Facebook-Profil veröffentlicht wurde, bestand eine sog. tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft. Der Beklagte hätte insofern vortragen müssen, „wie mögliche Dritte (wer?) Zugriff auf den Rechner haben konnten, wenn dieser doch passwortgeschützt sein soll“. Er hätte ferner versäumt vorzutragen, „welche konkreten Nachforschungen er hierzu angestellt hat, obwohl ihm dies unschwer möglich gewesen wäre“. Letzten Endes habe der Beklagte nur eine theoretische Möglichkeit des Zugriffs Dritter geschildert, die gerade nicht genüge, um die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung statuierte tatsächliche Vermutung zu widerlegen.
Das OLG Stuttgart hat der Klägerin daher den Unterlassungsanspruch zugesprochen. Der ebenfalls geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung wurde abgelehnt. Es läge zwar eine relativ schwerwiegende Beeinträchtigung vor, es könne aber wegen des Unterlassungsanspruchs und des Zeitablaufs nicht mehr von einer Fortdauer der Rufschädigung ausgegangen werden.
Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel