Online-Marktplatz haftet für Urheberrechtsverletzungen der Verkäufer

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Das OLG Nürnberg hat die Handelsplattform „Rakuten“ zur Unterlassung und zur Zahlung von EUR 6.675,00 Schadensersatz an einen Fotografen verpflichtet, dessen Rechte durch Angebote von Händlern auf „Rakuten“ verletzt wurden (Urteil vom 01.08.2023, Az. 3 U 2910/22).
Der Kläger ist Fotograf. Er bemerkte, dass ein von ihm erstelltes Bild der Manhattan Bridge im Internet ohne seine Erlaubnis zur Bewerbung eines Fernsehers verwendet wurde. Die Anzeigen führten zu der Plattform „Rakuten“, auf der Verkäufer sich ähnlich wie bei eBay registrieren und eigene Angebote erstellen können. Er forderte am 21.08.2018 die Plattform – und nicht den Verkäufer – auf, das Angebot zu löschen, was Rakuten auch tat. Am 05.10.2018 und 20.10.2018 entdeckte der Fotograf aber weitere Angebote (anderer Verkäufer), die dasselbe Bild zur Bewerbung eines Fernsehers nutzten. 
Vor Gericht stellte sich nun die Frage, ob der Anbieter des Marktplatzes (Rakuten) für Urheberrechtsverletzungen haftet, die Verkäufer dort begehen. Das OLG Nürnberg hat dies bejaht und zur Begründung auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH und BGH (wir berichteten) zur Haftung von YouTube verwiesen. Dabei erklärt das Gericht, die Rechtsprechung, wonach ein Plattformbetreiber bei der Verletzung bestimmter Verkehrspflichten selbst eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen urheberrechtsverletzenden Inhalte vornimmt, sei grundsätzlich übertragbar auf einen Online-Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte mittels des vom Plattformbetreiber zur Verfügung gestellten Shopsystems zum Kauf anbieten. 
Zwar habe Rakuten nicht gewusst, dass die Plattform im Allgemeinen durch Nutzer zur rechtswidrigen öffentlichen Wiedergabe von Inhalten genutzt werde. Auch sei Rakuten nicht an der Auswahl des rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachten Bildes beteiligt gewesen oder habe Hilfsmittel speziell zum Teilen solcher Inhalte angeboten. 
Den Anbieter habe aber neben der Pflicht, das konkret beanstandete Angebot zu beenden, auch die Pflicht getroffen, das fortgesetzte öffentliche Zugänglichmachen rechtsverletzender Inhalte durch gleichartige Verletzungshandlungen im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren zu unterbinden. Konkret hätte also Rakuten ab Erhalt des Hinweises technische Mittel einsetzen müssen, um die erneute Verwendung des rechtswidrig genutzten Bildes in einem Produktangebot zu verhindern.

Da der Kläger wenige Wochen nach dem Hinweis aber zwei weitere Angebote mit seinem  Bild finden konnte, stand für das Gericht eine Verkehrspflichtverletzung der Plattform fest. Bis zu den oben erwähnten Urteilen des EuGH und BGH hätte Rakuten für diese Pflichtverletzung nur als sog. Störer gehaftet, was zwar zu Unterlassungs- nicht aber zu Schadensersatzansprüchen führte. In seiner Entscheidung „YouTube II“ hat der BGH aber festgehalten, dass in dem Bereich der beschriebenen Verkehrspflichtverletzungen die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung tritt. 
Das OLG hat Rakuten daher nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der Kläger hatte in dem Verfahren mehrere Lizenzverträge vorgelegt, nach denen er für eine nichtexklusive, weltweite Lizenz über eine Laufzeit von einem Jahr im Online-Bereich zwischen EUR 4.361,00 und EUR 4.662,00 verlangte. Ausgehend hiervon schätzte das Gericht den im vorliegenden Fall angemessenen Lizenzanalogieschaden auf EUR 4.450,00. Da der Kläger in den Verkaufsangeboten nicht als Urheber des betroffenen Bilds genannt wurde, erhöhten die Richter den Betrag um 50%, so dass sich insgesamt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 6.675,00 ergab. Mit dem Aufschlag von lediglich 50% wich der Senat von der ständigen Rechtsprechung des BGH ab, nach der im Fall fehlender Urhebernennung ein Aufschlag von 100% üblich ist (s. BGH I ZR 148/13). Es sei hier aber zu berücksichtigen, dass die Plattform nicht für eine selbst begangene Urheberrechtsverletzung hafte, sondern für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, was zu einem niedrigeren Angriffsfaktor führe. 
Das OLG hat die Revision zugelassen; es ist bislang nicht bekannt, ob Rakuten den Fall zum BGH bringen wird. Einerseits handelt es sich um den ersten derartigen Fall unter der neuen BGH-Rechtsprechung. Andererseits verpflichten sich Verkäufer auf Rakuten, im Rahmen ihrer Angebote keine Rechte Dritter zu verletzen, so dass Rakuten sich theoretisch bei den Verkäufern schadlos halten könnte.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel