OVG NRW: Facebook und Instagram müssen kein Gegenvorstellungsverfahren anbieten

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Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG) regelt umfangreiche Pflichten für soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder YouTube. Es ist im Oktober 2017 in Kraft getreten und wurde seitdem bereits mehrfach angepasst. Zuletzt hat der Gesetzgeber im Juni 2021 in §§ 3a und 3b NetzDG eine Meldepflicht und ein sog. Gegenvorstellungsverfahren eingeführt. Das Gegenvorstellungsverfahren sollte Nutzern die Überprüfung von Entscheidungen der Netzwerke im Umgang mit Beschwerden über (vermeintlich) rechtswidrige Inhalte ermöglichen.

Sowohl YouTube als auch Facebook (bzw. der Mutterkonzern Meta) klagten vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG)  gegen die neuen Vorschriften, im März 2022 stellte das VG in beiden Verfahren fest, dass die in § 3a NetzDG geregelte Meldepflicht gegen Unionsrecht verstößt, zu den Details berichteten wir hier. Hinsichtlich § 3b NetzDG lehnte das VG den Eilantrag ab.

Mit Beschluss vom 21.03.2023 (Az. 13 B 381/22) stellte das Oberverwaltungsgericht  Nordrhein-Westfalen (OVG) nunmehr fest, dass auch § 3b NetzDG jedenfalls teilweise unionsrechtswidrig sei und die Klägerin Meta daher kein Gegenvorstellungsverfahren nach § 3b Abs. 1 und 2 NetzDG anbieten muss.

Die Regelung verstoße gegen das in E-Commerce-Richtlinie verankerte Herkunftslandprinzip. Das Herkunftslandprinzip dient dem freien Dienstleistungsverkehr und bestimmt, dass Dienste wie Facebook oder Instagram, grundsätzlich nur dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem sie niedergelassen sind, im Fall von Meta also Irland. Die Mitgliedsstaaten dürften Verfahren für die Löschung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr nur für in dem jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Anbieter regeln. Eine Abweichung vom Herkunftslandprinzip wäre nur unter den dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zulässig. Diese dürften hier aber schon deshalb nicht erfüllt sein, weil die Bundesrepublik Deutschland die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht eingehalten hat.

Vor der Einführung von § 3b NetzDG hat der Gesetzgeber es versäumt, die EU-Kommission sowie Irland als Sitzmitgliedstaat von Meta zu informieren. Auch fehlte es an einer erfolglosen Aufforderung an Meta, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Von diesem Vorgaben durfte der Gesetzgeber nach Ansicht der Richter auch nicht im Rahmen eines sogenannten Dringlichkeitsverfahrens abweichen.

Damit bleibt lediglich § 3b Abs. 3 NetzDG in Bezug auf Facebook und Instagram in Kraft. Dieser regelt Entscheidungen über die Löschung sonstiger Inhalte, die nicht strafrechtlich relevant sind. Da die Pflicht aus § 3b Abs. 3 NetzDG nicht bußgeldbewehrt ist, sei es Meta zuzumuten, sich gegen etwaige Maßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bundesamt für Justiz) im Wege des nachträglichen Rechtsschutzes zur Wehr zu setzen.

Leider bleibt auch mit dieser Entscheidung die Frage unbeantwortet, wann der Gesetzgeber sich auf die Ausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie berufen kann. Danach sind Maßnahmen zulässig, die erforderlich sind etwa zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen. Diese Ausnahmevorschrift gestattet jedoch nur Maßnahmen, „die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen“. Weiter gerichtlich ungeklärt ist die Frage, ob die Beschränkung auf „einen bestimmten Dienst“ nur Regelungen im Einzelfall erlaubt, also gegenüber einem konkreten Anbieter wie Meta oder YouTube. Es ist zumindest fraglich, ob abstrakt-generelle Maßnahmen, wie sie das NetzDG gegen eine Vielzahl von Diensteanbietern vorsieht, noch nach Art. 3 Abs. 4 der E-Commerce-Richtlinie zu rechtfertigen sind.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel