BGH: Fitnessstudios müssen Mitgliedsbei­träge bei coronabeding­ter Schließung zurückzahlen

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Im Rahmen des ersten „Lockdowns“ ab März 2020 mussten bundesweit Restaurants, Kinos, Discotheken und auch Fitnessstudios aufgrund behördlicher Anordnung schließen. In den meisten Fällen zogen die Fitnessstudios die vereinbarten Mitgliedsbeiträge dennoch weiterhin per Lastschrift ein. Oft wurde den Mitgliedern angeboten, die Mitgliedschaft um den Zeitraum der Schließung zu verlängern, im Rahmen einer „Gutschrift über Trainingszeit“.

Ob diese Praxis rechtmäßig ist oder die Mitglieder nicht vielmehr einen Anspruch auf Rückzahlung der Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Schließung haben, war umstritten und wurde von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Eine Vertragsverlängerung bejahte bspw. das AG Ibbenbüren, Az. 3 C 300/20, eine Zahlungspflicht nahm bspw. das AG Papenburg an, Az. 3 C 337/20.

Mit Urteil vom 04.05.2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Fitnessstudios die Mitgliedsbeiträge, die auf den Zeitraum der Schließung entfallen, zurückzahlen müssen (Az. XII ZR 64/21).

Zur Begründung führte das Gericht aus, es läge ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vor. Durch die (behördlich angeordnete) Schließung sei es dem beklagten Studio rechtlich unmöglich geworden, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit die vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Trotz der nur relativ kurzen Schließungszeit von knapp vier Monaten läge keine nur vorübergehende Unmöglichkeit vor, denn die ausgefallene Nutzungsmöglichkeit könne nicht nachgeholt werden, es käme den Mitgliedern gerade darauf an, das Studio fortlaufend regelmäßig betreten zu können.

Das Argument des Fitnessstudios, der Vertrag müsse wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB dahingehend angepasst werden, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird, überzeugte die Richter nicht. Die in § 275 BGB geregelte Unmöglichkeit gehe insofern § 313 BGB vor. Der Gesetzgeber habe das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung durch die Coronamaßnahmen erkannt und mit Art. 240 § 5 EGBGB eine Regelung getroffen, die dem Anwendungsbereich des § 313 BGB vorgehe. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB sei dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht eingeräumt worden, dem Kunden einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht. Durch diese "Gutscheinlösung" habe der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage finde daneben nicht statt.

Wie viele Kunden jetzt von ihrem Recht Gebrauch machen werden, die zu viel gezahlten Beiträge (im Streitfall vor dem BGH ging es um 86,75 €) einzuklagen, wird sich zeigen.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel